Montag, August 23, 2010

Sprache verstehen

Bei meiner, leider immer noch sehr zäh voranschreitenden Proust-Lektüre, bin ich auf eine (eine von vielen) bemerkenswerte Stelle gestoßen. Sie befasst sich damit, dass ein Ehepaar erkennt, dass ein Freund von ihnen offensichtlich den symbolischen Code ihrer Kultursprache nicht beherrscht. Dass heißt: er spricht und versteht zwar französich und weiß sich wohl auch gewählt auszudrücken, er begreift aber die kleinen Sprachspiele nicht, die in der Kultursprache seines von ihm frequentierten sozialen Netzwerks angelegt sind.

In diesem speziellen Fall versteht der Angesprochene genau das, was man ihm sagt - obwohl genau das Gegenteil gemeint ist, von dem was gesagt wird. Dies wird übrigens ohne jegliche Täuschungsabsicht so gesagt wie es gesagt wird. Statt dessen transportiert diese Form der Kommunikation eine weitere Botschaft (in diesem Fall "Bescheidenheit"), die man nicht mehr kommunzieren kann, wenn man sagt, was tatsächlich der Fall ist.

"Weißt Du," hatte Madame Verdurin zu ihrem Gatten gesagt, "ich glaube, wir machen einen Fehler, wenn wir dem Doktor gegenüber aus Bescheidenheit herabsetzen, was wir ihm bieten. Er ist ein Gelehrter, der außerhalb des praktischen Lebens steht. Er kennt den Wert der Dinge nicht und glaubt in dieser Hinsicht, war ihm darüber erzählen."

Donnerstag, August 19, 2010

Recherche: japanische Ernährungskultur

Für ein Essay, das zu schreiben ich mich entschieden habe, möchte ich etwas über japanische Esskultur recherchieren und habe gestern dafür mit dem Lesen von Harald Lemkes Weisheit des Essens begonnen.

Harald Lemke verfolgt in seinen Arbeiten die Entwicklung einer gastrosophischen Theorie mit  einer starken ethischen Komponente. Es finden sich also im Text auch viele moralische Begründungen  für moralische Urteile - darauf muss man sich einstellen bei der Lektüre.

Dass Buch startet von einem beachtenswerten Ausgangspunkt: Michel Foucault's Auseinandersetzung mit dem Zen. Es wird der Frage nachgespürt, ob das Zen in der traditionellen japanischen Teezeremonie für ein Zen des Essens taugt - und das tut es leider nicht, da dort eher das Nicht-Essen als das Essen im Vordergrund steht. 

Dies nur als eine Anekdote vom Anfang des Buchs, das nichts für die postmodernen "Sinnsüchtigen" (19) ist die einen "Fast Food Buddhismus" (20) suchen. Statt dessen aufklärerische und geistvolle Wissenschaft der Esskultur mit vielen philosophischen, historischen und ethnologischen Beschreibungs-, Erklärungs- und auch (!) Bewertungssträngen.

Über das spezifische Erkenntnisinteresse gerade vielleicht auch deswegen generell lesenswert, weil Japan offenbar eine traditionelle und prächtige Hybridkultur darstellt:

"Der wahre Japanismus ist ein universeller und interkultureller Elektizismus." (30)

Montag, August 02, 2010

Spiegelungsverhältnis

Schon wieder von der Kultur-Seite der Medaille auf der Suche nach der anderen Seite, der ausgeklammerten, rückseitigen (kommt freilich auf die Perspektive an) Natur. Dabei findet man "natürlich" nichts über die Natur raus, sondern immer nur noch mehr Kultur. Die reinste Escher-Treppe...

"An die Stelle von Naturannahmen, die bei aller Dekomposition immer noch halten konnten, was sie zu erkennen gaben, tritt die Paradoxie der Unwahrscheinlichkeit des Wahrscheinlichen." (331)