Freitag, Dezember 02, 2011



Durch Zufall ist mir heute eine 2007er Ausgabe von "Slow", der Zeitschrift von Slow-Food Deutschland, in die Hände gefallen. Es handelt sich um die Mai-Juni Ausgabe. Beim Durchblättern bin ich an einem interessanten Artikel hängengeblieben:


"Gramscis Erben" von Geoff Andrews.


Andrews führt zunächst aus, wie der Marxist und ehemalige Vorsitzende der Kommunistischen Partei Italiens (PCI) Antonio Gramsci, nicht nur eine Veränderung der ökonomischen Revolution fordert, sondern ebenso kulturelle Veränderung für unabdingbar hält. Als ausgewiesener Kenner der italienischen Kultur, von Dante bis zum Volkslied, forderte er die Aufhebung der Trennung von Hoch- und Volkskultur. Ein Verlassen des Terrains der Alltagskultur durch die Intellektuellen sah er mit Sorge.


Slow Food ist nach Andrews ein "globales Netzwerk auf gemeinsamer weltschaulicher Basis, das jedoch nationale und kulturelle Unterschiede respektiert. Es wirkt nicht im Bereich des Fordismus und des Nationalstaates, sondern in dem der Globalisierung und der Informationsgesellschaft." (14f.) Eine solche Definition gibt zwar noch nicht her, wieso "nationale Unterschiede" eine bedeutende Rolle spielen und auch nicht wie diese definiert werden (warum sollte ein Esskultur an einer politischen Grenzen enden? Was passiert, wenn Nationalstaaten auseinanderbrechen? Ist dann eine einzige vormalige Esskultur auf einmal doppelt da oder ergeben sich zwei neue? usw. usf.), aber sie akzeptiert gewissermaßen die Globalisierung, um sie durch die vergleichende Perspektive auf die "Kultur der Kulturen" (Dirk Baecker) in ihrer Komplexität zu betonen.


Weiterhin ist Slow Food, und das ist für das Folgende vielleicht interessanter, eben auch die "scharfe Kritik an einer bestimmten Lebensweise ("fast Life") und baute von an Anfang an stark auf die Volkskultur und das Bedürfnis, den "gesunden Verstand" wiederzugewinnen, der in dem Wissen einer ganzen Reihe von Nahrungsmittelproduzenten enthalten ist." (15)


Daraus schlussfolgert Andrews, dass die Intellektuellen Vordenker bei Slow Food, die am besten sowohl Lebensmittelproduzenten als auch Speisende sein sollten, zwar nicht wie bei Gramscis "organischen Intellektuellen" einer bestimmten sozialen Klasse angehören, aber das sie doch eine Mittlerrolle einnehmen, zwischen "Volk und Produzenten". Denn bei Slow Food soll die Differenz der "Handarbeit" auf der einen und der "Kopfarbeit" auf der anderen Seite überwunden werden, die ein Kennzeichen der Arbeitsteilung in der modernen Gesellschaft ist: "Slow Food setzt sich dafür ein, das Wissen der Kleinstproduzenten [...] zu respektieren" (15). Auf der anderen Seite braucht "das Volk die kritische Auffassung der Welt, wie die Philosophie sie gibt" (15).


Andrews, Geoff (2007): "Gramscis Erben". In: Slow, Magazin der Internationalen Slow Food Bewegung. S. 13-15.