Mittwoch, April 18, 2012

CfP „Moderne Ernährung zwischen Vielfalt, Komplexität und Partikularismus“

Call for Papers

Moderne Ernährung zwischen Vielfalt, Komplexität und Partikularismus
 

Die gegenwärtige Gesellschaft ist durch kulturelle Vielfalt gekennzeichnet. Dies trifft auch auf den Bereich der Ernährung zu. Ernährung wird durch die Beseitigung von Hunger nicht schon unproblematisch; seit der Globalisierung erscheint sie hochgradig kontingent als ein Feld von Entscheidungsprozessen, bei denen gegebenenfalls „die günstigste Wahl verfehlt werden kann“ (Luhmann 1987). Dies schlägt sich in dem paradoxen Zustand nieder, dass bei zunehmenden Informationsmöglichkeiten sich dennoch immer mehr Unsicherheiten in Bezug auf die „richtige“ Form der Ernährung ausbreiten. Miteinander konkurrierende Ernährungsstile und widersprüchliche Ernährungsrichtlinien sorgen dafür, dass sich die Binnenkomplexität des Ernährungsdiskurses zwischen genussorientierter Vielfalt undbedrohlicher Überforderung durch Komplexität entfaltet.

Das Ernährungshandeln gerät dabei in den Fokus diverser sozialer Akteure aus Medizin, Ökonomie, Politik und Recht, aber auch Religion und Kunst. Zwischen „Eat Art“ und Halal, zwischen Öko-Lebensmitteln und Novel-Food wird nach Distinktionsmerkmalen einerseits, aber auch nach gegenseitigen Anschlussmöglichkeiten andererseits gesucht.

 Ernährung ist aber nicht nur ein soziales Phänomen auf Mikro- oder Mesoebene. In der Debatte werden heute eine Vielzahl von Folgeproblemen für die globale Gesellschaft gesehen, die sich aus einer unreflektierten Ernährungsweise ergeben können, wie etwa die volkswirtschaftliche Bedeutung von Ernährungsstörungen oder externalisierte, ökologische Kosten bei der Lebensmittelproduktion. Gleichzeitig wird immer wieder versucht, die Vielfalt der modernen Ernährung zu reduzieren. Dafür werden imperative Aussagen über vermeintlich richtige, anständige und korrekte Ernährungsformen mit universellem Gültigkeitsanspruch formuliert, deren Negativfolie als zügelloser Ernährungspartikularismus erscheint. Doch hat dies einen paradoxen Erfolg: Durch die Postulierung einer unüberschaubaren Vielzahl von Ernährungsstilen wächst die Komplexität der Ernährung mit jeder neuen (Re)Formulierung weiter an.

Die komplexe Vielfalt der Ernährung, die sich auch in zahllosen Publikationen in allen Kommunikationsmedien (wie Printmedien, Fernsehen, Internet, Apps) kommunikativ wiederfindet, zeigt sich auf differenzierten Ebenen, die es zu diskutieren gilt. 

Die Diskussion im Rahmen der Ad-hoc-Gruppe, die sich im Schwerpunkt ernährungssoziologisch verortet, soll sich vor dem skizzierten Hintergrund mit folgenden Fragen befassen:

- Welches Angebotsspektrum an Lebensmitteln wird von Individuen oder sozialen Gruppen erwartet bzw. welche und wie viele Informationen erwarten Konsumenten zu von ihnen präferierten Lebensmitteln? Wie verfährt die Gesellschaft mit der paradoxen Erwartungshaltung, die komplexe Vielfalt an verfügbaren Informationen zu reduzieren und gleichzeitig durch das Bereitstellen von „mehr“ oder nochmals „anderen“ Informationen die Komplexität der Ernährung innerhalb der Gesellschaft weiter zu steigern?

- Wer besitzt hegemoniale Deutungshoheiten bzw. wer beteiligt sich an diskursiven Kämpfen um die Deutungshoheit in Bezug auf die Fragen, was eine „gute“ (respektive „schlechte“) oder „richtige“ (respektive „falsche“ Ernährung) ist bzw. wie eine solche realisiert werden soll?

- Wie vermag sich die Gesellschaft auf die Vielfalt und Komplexität der Ernährung einzustellen und welche Perspektiven hält die Soziologie für die Beobachtung der Ernährung bereit?

Hierzu werden Abstracts von 1-2 Seiten bis zum 6. Mai 2012 an die Organisatoren der Ad hoc Gruppe erbeten.
 
Organisation
 
Dipl.-Soz. Daniel Kofahl
Universität Kassel
FG Ökologische Lebensmittelqualität und Ernährungskultur
Nordbahnhofstr. 1a
37213 Witzenhausen
Tel.: 05542 981717
Kofahl@uni-kassel.de
 
Dr. Jana Rückert-John
Zentrum Technik und Gesellschaft (ZTG) der TU Berlin
Bereich Landnutzung und Konsummuster
Hardenbergstraße 16-18
10623 Berlin
Tel.: 030 314-24855
rueckert-john@ztg.tu-berlin.de

Montag, April 02, 2012

Knallbunte Kulinaristik

Heute Morgen ist mir "LEON - Natürlich Fast Food" von Henry Dembleby & John Vincent ins Postfach geflattert.

Mein erster Eindruck nachdem ich es aufgeschlagen habe war: Das ist bunt! Das grafische (!) Design ist untypisch für ein Kochbuch, denn es ist chaotisch, mit vielen verschiedenen Schriftypen und sehr unordentlich. Damit lässt das Buch erst einmal keine Assoziationen mit der gängigen Variante der Fast-Food-Gastronomie aufkommen, in der es vielleicht noch bunt sein darf (obwohl es nicht selten nur einige wenige knallige Farben oder gleich weiße Fliesen sind, die realer Weise zum Einsatz kommen), aber ansonsten alles sehr strukturiert und genormt wirken muss, damit sich wirklich jeder direkt zurechtfindet. Und auch wenn das Buch immer wieder mit Symbolen aus der popkulturellen Spielart des Fast-Food (also nicht mit der Imbissbuden-Kultur) kokettiert, wie etwa Plastikspielzeug oder Eis am Stiel, sind die Rezeptvorschläge meist weit weg davon was man erwarten darf, wenn man ein Schnellimbissrestaurant betritt. Insgesamt erinnert mich das Buch mehr an Partymenüvorschläge aus Kochbüchern aus den 70er und 80er Jahre, aber dekontextuiert: Man braucht jetzt nicht mehr zwingend "eine Gesellschaft geben" sondern hat Kontingenzspielräume der Gerichte erlannt und sie können jetzt auch  in anderem Rahmen - bei Singles, gestressten Alleinerziehenden oder lustvollen Unkomplizierten - genussvoll schmecken.  Vor allem haben sie ihr zwischenzeitliches Stigmatisierungstal hinter sich.

Die inhaltliche Struktur des Buches ist übrigens ganz klassisch geordnet: Einleitung, Zutaten, Fast Food, Slow Fast Food, Bonus Features (Cocktails, einige (sehr) rudimentäre Ernährungstipps, Index). Der zentrale Wert an dem sich dieses Buch semantisch orientiert ist auf jeden Fall "wohlschmeckend". Wie anschlussfähig dies im individuellen Einzelfall sein mag ist aber fraglos nicht vorherzusagen - und ob die Rezepte alltagspraktikabel sind muss ich erst noch in der Küche ausprobieren.