AG Kulinarische Ethnologie
Kontakt: Daniel Kofahl
Gelsterstr. 8
37213 Witzenhausen
E-Mail:
Kofahl@APEK-Consult.de
CALL FOR PAPERS
zum Workshop der
AG Kulinarische Ethnologie
in der Deutschen Gesellschaft für Völkerkunde (DGV)
Kulinarische
Widersprüche
Ethnologische Perspektiven
auf Ernährungspluralismus
Universität
Kassel-Witzenhausen
11. und 12. September 2014
Bei der sozial- und kulturwissenschaftlichen
Auseinandersetzung mit Ernährungskulturen begegnet man auf verschiedenen Ebenen
Widersprüchen. Versucht man etwa das Kulinarische der globalen Gegenwartskultur
zu beobachten und zu beschreiben, stößt man auf Standardisierungstrends, die in
unterschiedlichsten Regionen der Welt die Etablierung sehr ähnlicher Ernährungspraktiken
evozieren. Dabei sind es nicht nur die Bestrebungen der Agrar- und
Lebensmittelindustrie sowie der Systemgastronomie, einen weltweiten Markt für
nahezu die gleichen Produkte und Konsumhandlungen auf- und auszubauen, deren
Kräfte hier als ¨great culinary leveler¨ walten. Es sind gleichermaßen
internationale wie transnationale Absprachen und Synchronisierungstendenzen im
Lebensmittelrecht und der Nahrungspolitik, die sowohl Ursache als auch Ausdruck
jener Standardisierungstrends globaler Ernährungskultur sind.
Auf der anderen Seite, und ohne die Faktizität dieser
Prozesse in Abrede zu stellen, lässt sich die fortwährende Diversifizierung
alltäglicher Ernährungspraxis in lokalen Kontexten und ausdifferenzierten
Netzwerken kulinarischer Akteure nur schwer von der Hand weisen. Entgegen dem
prophezeiten Verschwinden traditioneller Esspraktiken zeichnen sozial- und
kulturwissenschaftliche Forschungen vielmehr ein anderes Bild. Unter anderem
werden diese Praktiken etwa in Form eines modernen Neotraditionalismus explizit
erinnert und reaktualisiert - bspw. in indigenen Restaurants, Kochshows und
-büchern, ökonomisch oder gesundheitlich motivierten Entwicklungsprojekten
sowie in Gestalt der Schlachtrufe selbsternannter Kosmopoliten: „Farm-to-fork! Snout-to-tail!".
Zugleich fällt die kreative Hervorbringung neuer Ernährungsmuster und Essgewohnheiten ins Auge, die einen
unweigerlich an Lévi-Srauss´ ¨kulturellen Bastler¨ denken lässt.
Indem die Kreativität des kulturellen Bastlers oder die
Revitalisierung kulinarischer Traditionen sich letztlich als Widersprüche zum
scheinbar Normalen des kulinarischen Alltags oder zum vermeintlich geltenden
kulinarischen Standard abheben, werfen beide die Frage der Kontinuität bzw. der
Identität von Ernährungskulturen selbst auf. Die unausweichliche Präsenz
widersprüchlicher Verhältnisse vor dem Hintergrund einer globalisierten Welt,
lässt dann keinen Zweifel mehr an der exponentiellen Vermehrung des
Perspektivenpluralismus auf mögliche Ess- und Trinkpraktiken.
Widersprüche in Bezug auf Ernährung und auf das
Kulinarische finden sich drittens noch in einer weiteren, existenziellen
Hinsicht: Die sozialen Ungleichheiten zwischen verschiedenen sozialen Gruppen
und auch zwischen unterschiedlichen Weltregionen in Bezug auf den Zugang zu
Lebensmitteln nehmen, trotz weiterhin bestehender Überschüsse an
Nahrungsmitteln im globalen Maßstab, weiter zu. Offener oder versteckter Hunger
sowie Probleme der kulinarischen
Teilhabe am sozialen Leben relevanter Gesellschafts- und Gemeinschaftskontexte
offenbaren eklatante politökonomische Widersprüche, die auch diachron
betrachtet den Anschein eines systemischen Charakters für das globale
Zusammenleben besitzen.
Der Workshop bietet die Möglichkeit, Beiträge zu drei
thematischen Bereichen vorzustellen und zu diskutieren.
1.
Beiträge zur Theorie der Erforschung von
Ernährungskultur
In einem ersten Schritt soll der Versuch unternommen
werden, ein theoretisches, methodisches beziehungsweise methodologisches
Instrumentarium kulinarischer Ethnologie zu entwickeln, das in seinem Aufbau
und seinen Möglichkeiten den Ansprüchen und Erfordernissen der pluralistischen
Ernährung und des komplexen Kulinarischen in der widerspruchsvollen Realität
der Gegenwart angemessen ist.
2.
Empirische und historische Fallbeispiele sowie
komparative Studien zu Widersprüchen der Ernährungskultur
Im Weiteren sollen ernährungsrelevante und
kulinarische Widersprüche, die sich in Folge ethnologischer Forschungen
offenbart haben, anhand von empirischen Beispielen aufgezeigt und als
exemplarische Anhaltspunkte für weitere Analysen aufbereitet werden.
3.
Ethnologische Analysen zu materiellen und politischen
Asymmetrien (globaler) Ernährungskultur
Im dritten Abschnitt sollen einzelne Problemfelder der
kulinarischen Teilhabe an Gesellschaft unter ethnologischen Gesichtspunkten
dargestellt werden. Hierbei soll zudem die Frage diskutiert werden, inwiefern
es Aufgabe der kulinarischen Ethnologie sein kann, bei der Lösung oder
Bearbeitung der Problematik kulinarischer Teilhabe, kritische Beiträge zu
leisten und normative Aussagen zu formulieren oder ob stattdessen einer rein
analytisch-deskriptiven Position der Vorzug zu geben ist.
An einem der drei Themenbereiche und an einem Vortrag
Interessierte bitten wir, bis Ende Mai 2014 einen Abstract (max. 2000 Zeichen)
einzureichen (per Mail an Kofahl@APEK-Consult.de). Über die Annahme zum
Workshop wird zeitnah entschieden.
Mit freundlichen Grüßen,
Daniel Kofahl Bettina
Mann Sebastian Schellhaas
(SprecherInnen der AG
Kulinarische Ethnologie)