Dienstag, März 18, 2014

CfP "Kulinarische Widersprüche" - Workshop der AG Kulinarische Ethnologie


AG Kulinarische Ethnologie
Kontakt: Daniel Kofahl
Gelsterstr. 8
37213 Witzenhausen
E-Mail: Kofahl@APEK-Consult.de


CALL FOR PAPERS
zum Workshop der
AG Kulinarische Ethnologie
in der Deutschen Gesellschaft für Völkerkunde (DGV)

Kulinarische Widersprüche
Ethnologische Perspektiven auf Ernährungspluralismus

Universität Kassel-Witzenhausen
11. und 12. September 2014

Bei der sozial- und kulturwissenschaftlichen Auseinandersetzung mit Ernährungskulturen begegnet man auf verschiedenen Ebenen Widersprüchen. Versucht man etwa das Kulinarische der globalen Gegenwartskultur zu beobachten und zu beschreiben, stößt man auf Standardisierungstrends, die in unterschiedlichsten Regionen der Welt die Etablierung sehr ähnlicher Ernährungspraktiken evozieren. Dabei sind es nicht nur die Bestrebungen der Agrar- und Lebensmittelindustrie sowie der Systemgastronomie, einen weltweiten Markt für nahezu die gleichen Produkte und Konsumhandlungen auf- und auszubauen, deren Kräfte hier als ¨great culinary leveler¨ walten. Es sind gleichermaßen internationale wie transnationale Absprachen und Synchronisierungstendenzen im Lebensmittelrecht und der Nahrungspolitik, die sowohl Ursache als auch Ausdruck jener Standardisierungstrends globaler Ernährungskultur sind.
Auf der anderen Seite, und ohne die Faktizität dieser Prozesse in Abrede zu stellen, lässt sich die fortwährende Diversifizierung alltäglicher Ernährungspraxis in lokalen Kontexten und ausdifferenzierten Netzwerken kulinarischer Akteure nur schwer von der Hand weisen. Entgegen dem prophezeiten Verschwinden traditioneller Esspraktiken zeichnen sozial- und kulturwissenschaftliche Forschungen vielmehr ein anderes Bild. Unter anderem werden diese Praktiken etwa in Form eines modernen Neotraditionalismus explizit erinnert und reaktualisiert - bspw. in indigenen Restaurants, Kochshows und -büchern, ökonomisch oder gesundheitlich motivierten Entwicklungsprojekten sowie in Gestalt der Schlachtrufe selbsternannter Kosmopoliten: „Farm-to-fork! Snout-to-tail!". Zugleich fällt die kreative Hervorbringung neuer Ernährungsmuster und  Essgewohnheiten ins Auge, die einen unweigerlich an Lévi-Srauss´ ¨kulturellen Bastler¨ denken lässt.
Indem die Kreativität des kulturellen Bastlers oder die Revitalisierung kulinarischer Traditionen sich letztlich als Widersprüche zum scheinbar Normalen des kulinarischen Alltags oder zum vermeintlich geltenden kulinarischen Standard abheben, werfen beide die Frage der Kontinuität bzw. der Identität von Ernährungskulturen selbst auf. Die unausweichliche Präsenz widersprüchlicher Verhältnisse vor dem Hintergrund einer globalisierten Welt, lässt dann keinen Zweifel mehr an der exponentiellen Vermehrung des Perspektivenpluralismus auf mögliche Ess- und Trinkpraktiken.
Widersprüche in Bezug auf Ernährung und auf das Kulinarische finden sich drittens noch in einer weiteren, existenziellen Hinsicht: Die sozialen Ungleichheiten zwischen verschiedenen sozialen Gruppen und auch zwischen unterschiedlichen Weltregionen in Bezug auf den Zugang zu Lebensmitteln nehmen, trotz weiterhin bestehender Überschüsse an Nahrungsmitteln im globalen Maßstab, weiter zu. Offener oder versteckter Hunger sowie  Probleme der kulinarischen Teilhabe am sozialen Leben relevanter Gesellschafts- und Gemeinschaftskontexte offenbaren eklatante politökonomische Widersprüche, die auch diachron betrachtet den Anschein eines systemischen Charakters für das globale Zusammenleben besitzen.
Der Workshop bietet die Möglichkeit, Beiträge zu drei thematischen Bereichen vorzustellen und zu diskutieren.
1.       Beiträge zur Theorie der Erforschung von Ernährungskultur
In einem ersten Schritt soll der Versuch unternommen werden, ein theoretisches, methodisches beziehungsweise methodologisches Instrumentarium kulinarischer Ethnologie zu entwickeln, das in seinem Aufbau und seinen Möglichkeiten den Ansprüchen und Erfordernissen der pluralistischen Ernährung und des komplexen Kulinarischen in der widerspruchsvollen Realität der Gegenwart angemessen ist.

2.       Empirische und historische Fallbeispiele sowie komparative Studien zu Widersprüchen der Ernährungskultur

Im Weiteren sollen ernährungsrelevante und kulinarische Widersprüche, die sich in Folge ethnologischer Forschungen offenbart haben, anhand von empirischen Beispielen aufgezeigt und als exemplarische Anhaltspunkte für weitere Analysen aufbereitet werden.

3.       Ethnologische Analysen zu materiellen und politischen Asymmetrien (globaler) Ernährungskultur

Im dritten Abschnitt sollen einzelne Problemfelder der kulinarischen Teilhabe an Gesellschaft unter ethnologischen Gesichtspunkten dargestellt werden. Hierbei soll zudem die Frage diskutiert werden, inwiefern es Aufgabe der kulinarischen Ethnologie sein kann, bei der Lösung oder Bearbeitung der Problematik kulinarischer Teilhabe, kritische Beiträge zu leisten und normative Aussagen zu formulieren oder ob stattdessen einer rein analytisch-deskriptiven Position der Vorzug zu geben ist.

An einem der drei Themenbereiche und an einem Vortrag Interessierte bitten wir, bis Ende Mai 2014 einen Abstract (max. 2000 Zeichen) einzureichen (per Mail an Kofahl@APEK-Consult.de). Über die Annahme zum Workshop wird zeitnah entschieden.
Mit freundlichen Grüßen,
Daniel Kofahl     Bettina Mann    Sebastian Schellhaas
    (SprecherInnen der AG Kulinarische Ethnologie)